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einfach erklärt

Glossar A-Z

Babyzeichen/Zwergensprache

Während gehörlosen/hörbeeinträchtigten Kindern in Österreich und in vielen anderen Ländern oftmals der Zugang zu Gebärdensprachen verwehrt bleibt und stattdessen technische Hilfsmittel und gesprochene Sprache eingesetzt werden, werben immer mehr Institutionen und Bücher mit Babyzeichenkursen für hörende Kinder. Diese Zeichen sind oftmals erfunden und haben keinen oder wenig Bezug zur jeweiligen Gebärdensprache. Babys und Kleinkinder können dadurch früher einzelne Inhalte kommunizieren, haben aber nicht den Vorteil gleich eine ganze Sprache zu lernen, mit der sie sich später auch mit anderen Gebärdensprachenbenutzer:innen verständigen können. Der Verein kinderhände legt darauf Wert, dass in den Kursen keine erfundenen Zeichen, sondern nur Gebärden der Österreichischen Gebärdensprache und ihre Grammatik vermittelt wird.

Bilingualismus

Bilingualismus bedeutete Mehrsprachigkeit. Die meisten Länder der Welt sind mehrsprachig. Z.B. wird in der Schweiz Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gesprochen; in Indien sind Hindi und Englisch Amtssprachen und noch viele weitere Sprachen anerkannt oder regionale Amtssprachen. Österreich (ähnlich anderen europäischen Ländern) ist mit der Amtssprache Deutsch eher die Ausnahme. Aber regional gibt es auch in Österreich weitere Amtssprachen wie etwas das Burgenlandkroatische im Burgenland. Auch ÖGS ist seit 2005 als eigene Sprache in der Verfassung anerkannt.
Menschen mit einer Hörbehinderung sind von vornherein mehrsprachig, da Ihre Sprache ÖGS ist, sie aber in einem Land leben, wo Deutsch von der Mehrheit der Gesellschaft gesprochen wird. Außerdem können sie noch weitere gesprochene und gebärdete Sprachen wie Englisch oder American Sign Language (ASL) lernen. Das ist auch gut so – mehrere Sprachen zu beherrschen ist im Leben und Beruf immer ein Vorteil! Dabei macht es keinen Unterschied, ob man mehrere gesprochene Sprachen beherrscht oder ob es sich um eine gesprochene und eine gebärdete Sprache handelt. Abgesehen von der Sprachmodalität gibt es aber mehrere Arten von Bilingualismus, die von der Sprachkompetenz der jeweiligen Sprachen abhängt. Die schlechteste Form ist die des Semi-Bilingualismus, d.h. dass eine Person zwar zwei oder mehrere Sprachen beherrscht, aber in beiden nicht kompetent ist. Dies kann passieren, wenn Kinder auf Grund von Emigration oder Umzug eine neue Sprache in einem anderen Land lernen, nicht jedoch Zugang zu Förderung in ihrer Erstsprache erhalten. D.h. der Spracherwerb der Erstsprache wird abrupt zurückgedrängt und soll durch eine neue Sprache ersetzt werden. Auch Menschen mit Hörbehinderung sind oft semi-bilingual. Sie haben zwar durch Frühförderung und in der Schule Deutsch gelernt, da sie diese Sprache aber nicht vollständig übers Ohr aufnehmen können, diese auch nie vollständig erwerben können. Später lernt diese Personen vielleicht auch ÖGS, aber das ist für einen richtigen Spracherwerb zu spät. Sie erlernen zwar ÖGS, werden aber nie auf das Sprachniveau eines „Muttersprachlers“ kommen. Daher ist es immens wichtig, Kindern mit Hörbehinderung von Anfang an beide Sprachen anzubieten.

Cochlea Implantat (CI)

Das CI ist ein Hörprothese, die aus einem Mikrofon, einem digitalen Sprachprozessor, einer Sendespule mit Magnet und einem Implantat besteht, durch das der Hörnerv stimuliert und Höreindrücke vermittelt werden sollen. Für ertaubte Menschen, die schon eine gesprochene Sprache beherrschen, ist das ein technisches „Wunder“. Das CI kann ein Kind jedoch nicht wieder „hörend machen“ und es ist nicht garantiert, dass Kinder mit Implantaten Gesprochenes hören können. Da aber die ersten 6 Jahre eines Kindes essenziell für die sprachliche Entwicklung ist, ist es ratsam dem Kind auch eine Gebärdensprache anzubieten. Egal ob das CI funktioniert oder nicht, das Kind kann so ÖGS und Deutsch erwerben bzw. erlernen und ist somit für sein Leben gerüstet.

Erstsprache

In der Sprachwissenschaft wird Erstsprache (oft auch „Muttersprache“ genannt) als L1 (Language 1) bezeichnet, da die Erstsprache eines Kindes nicht unbedingt ident ist mit der Erstsprache von seiner Mutter oder seinem Vater. L1 ist meistens die Sprache, die das Kind ohne Aufwand und ohne bewusstes Lernen erworben hat. Es kann aber auch die Sprache sein, die man am besten beherrscht, mit der man sich identifiziert oder die man am meisten verwendet (Skutnabb-Kangas, Tove 1984)

Fremdsprache

Als Fremdsprachen bezeichnet man Sprachen, die man als Schüler:in, jugendliche oder erwachsene Person in der Schule, Kursen oder autodidaktisch erlernt. Eine Fremdsprache erlernen heißt Vokabeln lernen, Grammatikregeln verstehen und anwenden lernen und viel üben. Trotz jahrelanger Übung wird man meist nie das gleiche Sprachgefühl bekommen wie für seine Erstsprache, die man als Kind ohne Mühen erworben hat. Für Personen mit Hörbehinderung ist Deutsch eine Fremdsprache, da sie ja nie die Sprache in ihrem gesamten Umfang hören konnten. Deutsch müsste ihnen auch dementsprechend unterrichtet werden.

Familiensprachförderung

Dies ist ein Angebot von kinderhände, um ÖGS in den Alltag von Familien mit einem Kind mit einer Hörbehinderung zu integrieren. Über einen Zeitraum von sechs Monaten erhalten Familien eine individuelle Begleitung zu Hause durch eine gehörlose Fachperson mit ÖGS und damit die Möglichkeit sich auszutauschen und mehr über Gehörlosigkeit, Gebärdensprachen und Umgang mit einem Kind mit Hörbehinderung zu erfahren. Dem Kind wird ein gehörloses Vorbild geboten. In wöchentlichen Hausbesuchen oder Ausflügen bekommt die Familie Werkzeuge in die Hand, um eine gemeinsame Kommunikationsform zu finden und ÖGS zu lernen.

Gebärdensprache(n)

Gebärdensprachen sind visuell-gestische Sprachen. Es gibt viele hunderte Gebärdensprachen auf der Welt, die sich in ihrer Grammatik und Struktur unterscheiden. Sie haben alle die gleichen Funktionen und Ausdrucksweisen wie auch Lautsprachen, werden aber mit den Händen gebärdet, machen sich den Raum zunutze und verwenden Mimik als einen wichtigen Teil der Grammatik.
Nationale Gebärdensprachen werden meist abgekürzt, wie z.B. ASL = Amerikanische Gebärdensprache, BSL: Britische Gebärdensprache, NG: Japanische Gebärdensprache, LIS: Italienische Gebärdensprache, AusLan: Australische Gebärdensprache.
Manche dieser Gebärdensprachen sind verwandt, d.h. sie haben ähnliche sprachliche Strukturen. Diese Verwandtschaft ist aber nicht auf die jeweilige gesprochene Landessprache zurückzuführen, sondern auf historische Gegebenheiten. In vielen Ländern ist die jeweilige nationale Gebärdensprache anerkannt oder im Bildungssystem als Bildungssprache verankert. Das ist sehr wichtig für die Gehörlosengemeinschaft, um als sprachliche Minderheit zu ihren Rechten zu kommen, wie barrierefreier Zugang zu Informationen (z.B. Untertitel, Dolmetscher:innen, Telefon-Relay-System) oder chancengleiche Bildung (v.a. bilingualer-bimodaler Schulunterricht).

Büchertipp: Boyes Braem, Penny (1992). Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung. Hamburg, Signum Verlag, 2. Auflage

Gehörlos

Gehörlos oder hörbehindert zu sein, wird oft aus einer rein medizinischen Perspektive definiert. Diese Sichtweise konzentriert sich nur auf das Ohr und auf die Defizite des Gehörs. Gehörlosigkeit ist aber mehr als eine Sinnesbehinderung. Menschen mit Hörbehinderung sind Teil einer sprachlichen Minderheit, die durch die gemeinsame Sprache, Kultur und Werte geeint sind. Diese Sichtweise konzentriert sich nicht nur auf die Defizite, sondern auch auf die sozio-kulturellen Aspekte der Gehörlosengemeinschaft. In der englischsprachigen Literatur wird dies durch die Schreibweise von deaf vs. Deaf ausgedrückt. Wer zu einer Gehörlosengemeinschaft dazu gehört, ist keine medizinische Einteilung basierend auf einem Hörtest, sondern eine individuelle Entscheidung, unabhängig vom Hörstatus. D.h. schwerhörige Personen können sich genauso zur Gehörlosengemeinschaft dazuzählen, wie gehörlose Personen nicht Teil dieser Gemeinschaft sein wollen. Vermehrt wird von der Gehörlosengemeinschaft statt gehörlos auch der Begriff taub verwendet. Nicht verwendet werden sollte hingegen die Bezeichnung taubstumm, da dieses Wort als diskriminierend empfunden wird und auch in die Irre führt: Gehörlose sind weder dumm noch stumm (siehe auch neuere Ausgaben des Duden)

Gehörlosengemeinschaft

Es gibt viele Gehörlosengemeinschaften auf der Welt, auch in Österreich. Sie werden durch die jeweilige Gebärdensprache geeint und können sich auf gemeinsame Traditionen, Kultur und Werte stützen. Mehr über die Welt der Gehörlosen in Österreich erfahren Sie im Kinderbuch „Mein Tor in die Welt der Gehörlosen“ (2004) vom ÖGLB herausgegeben oder dem Buch „taubstumm bis gebärdensprachig“ von Verena Krausneker, 2006 im Drava Verlag erschienen.

Hören

Wie viel ein Mensch hört, wird in Dezibel (Lautstärke) und Hertz (Frequenz) gemessen. Das menschliche Ohr kann den Frequenzbereich zwischen 20 und 20000 Hertz wahrnehmen. In dem Bereich zwischen 500 und 5000 Hertz liegt die menschliche Sprache. Die Hörschwelle liegt bei 0 bis 10 Dezibel, die Schmerzgrenze ist mit 90 bis 120 Dezibel erreicht. Im Vergleich zu vielen anderen Lebewesen hört das menschliche Ohr wenig, die Frequenzen in denen Gesprochenes wahrnehmbar ist, sind noch eingeschränkter.

Internationale Gebärde (IG) oder auch International Sign (IS)

IS ist keine Sprache, sondern ein  Kommunikationsmittel, das zur internationalen Kommunikation zwischen Gehörlosengemeinschaften der Welt verwendet wird. Es basiert v.a. auf den Gebärden Westeuropäischer und der Amerikanischen Gebärdensprache, ikonischen Gebärden, Gesten und Mimik. Im Laufe der Jahrzehnte wurde IS immer weiterentwickelt und standarisiert, sodass es heute über ein standardisiertes Zahlen- und Buchstabensystem, sowie auch einen standardisierten Wortschatz und grammatikalische Regeln verfügt.

Tipp: A Handbook of International Sign, 2007 vom WFD herausgegeben

LBG

LBG ist die Abkürzung für Lautsprachbegleitende Gebärden. Da Deutsch und ÖGS unterschiedliche Kanäle verwenden – die eine wird gesprochen, die andere gebärdet – ist es möglich gleichzeitig zu sprechen und zu gebärden. Trotzdem ist es nicht möglich beide Sprachen gleichzeitig zu verwenden, sondern man muss sich für die Grammatik einer Sprache entscheiden. Oder können Sie deutsche Wörter mit den Grammatikregeln des Russischen verwenden? LBG basiert auf der deutschen Grammatik, die mit Gebärden visualisiert wird und zusätzlichen erfundenen Gebärden, um alle Aspekte der Deutschen Grammatik 1:1 umsetzen zu können. LBG ist also ein Hilfsmittel, aber keine eigene Sprache. Es ist auch kein optimales Kommunikationsmittel, um eine Konversation zu halten oder um Sachinhalte zu unterrichten. LBG hat aber eine wichtige Funktion, etwa im Deutschunterricht, um die deutsche Grammatik darzustellen.

LuG

Ähnlich wie LBG basiert LuG – lautsprachunterstützende Gebärden – auf der Grammatik der gesprochenen deutschen Sprache. Allerdings werden hier nicht alle Aspekte der Grammatik visualisiert, sondern nur für die inhaltlich wichtigsten Teile eines Satzes gleichzeitig eine isolierte Gebärde verwendet. Auch LuG ist ein Hilfsmittel, welches z.B. Personen, die die deutsche Grammatik beherrschen, hilft. Für eine Konversation oder Vermittlung von Sachinhalten ist LuG jedoch nicht zu verwenden.

Muttersprache

siehe Erstsprache

ÖGS

ÖGS ist die Abkürzung für österreichische Gebärdensprache. ÖGS ist die Sprache der Gehörlosengemeinschaft in Österreich, in der sie barrierefrei und uneingeschränkt kommunizieren und verstehen können. Als Fremdsprache wird sie aber auch von immer mehr hörenden Personen erlernt.
ÖGS ist eine visuell-gestische Sprache, die zur Familie der Gebärdensprachen gehört. Sie ist wie jede andere Sprache eine vollwertige, natürliche Sprache mit einer eigenen Grammatik (nicht basierend auf einer gesprochenen Sprache). Sie macht nicht von den Stimmbändern Gebrauch, sondern den Händen, dem Raum, dem Oberkörper und der Mimik.

DVD-Tipp: Shake Hands: www.dvd-shakehands.com; Skant, A. et al. (2002). Grammatik der Österreichischen Gebärdensprache. Veröffentlichungen des Forschungszentrum für Gebärdensprache und Hörgeschädigtenkommunikation der Universität Klagenfurt, Band 4

Spracherwerb

Eine Sprache oder mehrere Sprachen erwerben ist etwas anderes als Sprache(n) erlernen. Die meisten von uns kennen beides. Eine Sprache lernt man in der Schule oder in Sprachkursen, d.h. es wird einem die Grammatik einer Sprache erklärt, man muss Vokabeln lernen, neue Sprachregeln verstehen und viel, viel üben. Eine Sprache zu erwerben passiert im Gegenteil dazu mühelos und ungesteuert durch entsprechenden sprachlichen Input. Die Fähigkeit eine Sprache zu erwerben ist jedoch zeitlich beschränkt, nämlich von 0 bis ca. 6 Jahren. In der Sprachwissenschaft werden diese Jahre auch „sprachliche Zeitfenster“ oder „kritische Periode“ genannt. In diesem Zeitraum können Kinder ein oder mehrere Sprachen mühelos erwerben, Voraussetzung aber ist, dass sie die Sprache(n) auch vollkommen wahrnehmen. Für Kinder mit Hörbehinderung bedeutet dies, dass ihre Gehörlosigkeit bzw. Schwerhörigkeit früh erkannt wird und bei Bedarf technische Hilfsmittel verwendet werden. Technische Hilfsmittel bedeuten aber noch lange nicht, dass diese Kinder auch genug hören können, um eine gesprochene Sprache über das Ohr aufzunehmen. Eine visuelle Sprache wie die ÖGS können sie auf jeden Fall sehen und als Erstsprache (L1) erwerben. Dadurch haben sie 100%igen Zugang zu ihrer Umgebung und der Welt und eine fundierte Sprachbasis, mit der sie weitere Sprachen lernen können.
Wenn Kinder keinen Zugang zu einer Sprache haben, weil die Gehörlosigkeit nicht entdeckt wurde oder das Kind zwar trotz Hörgerät oder trotz technischer Hilfsmittel nicht die gesamten Sprachinhalte hören kann, schließt sich das zeitliche Sprachfenster, ohne dass dieses Kind eine natürliche Erstsprache erwerben konnte. Dies kann sich fatal auf die weitere kindliche Entwicklung auswirken und kognitive, emotionale und sprachliche Defizite nach sich ziehen.

UK

Unterstützte Kommunikation (UK) wird als Unterstützung zur Kommunikation mit Kindern mit Behinderungen oder sprachlichen Verzögerungen verwendet. In der UK können auch Gebärden für die Kommunikation genutzt werden.

TIPP: Mehr Begriffe und Erklärungen finden sich im „Handbuch für Journalistinnen und Journalisten“ des ÖGLB 

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